Nachhaltigkeit hat sich zu einem zentralen Thema entwickelt, das nicht nur von ökologischen, sondern auch von sozialen und unternehmensbezogenen Gesichtspunkten geprägt ist. Diese Entwicklung wird zunehmend durch politische Maßnahmen beeinflusst, insbesondere durch das Pariser Abkommen von 2015 und die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung. In diesem Artikel wird die Integration von Umwelt-, Sozial- und Governance-Kriterien (ESG) in Banken in Österreich analysiert, insbesondere im Hinblick auf ihre Rolle bei der Förderung einer nachhaltigen Wirtschaft und der Bewältigung der Herausforderungen des Klimawandels.
ESG Integration bei Banken in Österreich: Eine Analyse
Politische Rahmenbedingungen und regulatorische Anforderungen
Das Pariser Abkommen von 2015 legte das Ziel fest, die globale Erderwärmung auf höchstens 2 °C, vorzugsweise auf 1,5 °C, im Vergleich zum vorindustriellen Niveau zu begrenzen. Die EU hat daraufhin einen Aktionsplan zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums entwickelt, der die Neuausrichtung von Kapitalflüssen auf nachhaltige Investitionen und die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsrisiken umfasst. Banken in Österreich müssen daher ihre Investitions-Portfolios gemäß den Kriterien der EU-Taxonomie kategorisieren und berichten, was sie zu Schlüsselakteur:innen in der Transformation der Wirtschaft macht.
Die Pariser Klimaziele zu erreichen, stellt jedoch eine große Herausforderung für Banken in Österreich dar, wie eine neue Studie von KPMG verdeutlicht:
Bereits im Sommer 2020 veröffentlichte die Europäische Bankenaufsichtsbehörde (EBA) zudem die überarbeiteten Leitlinien zur Kreditvergabe und -überwachung mit dem Ziel, die Standards in diesen Bereichen EU-weit zu harmonisieren. Erstmals wurden darin auch Anforderungen unter anderem an Technologien, Daten und Entscheidungsmodelle aufgenommen und somit eine Öffnung hinsichtlich der Nutzung statistischer Modelle für die Immobilienbewertung eingeläutet.
Zunächst galten diese Standards nur für das Neugeschäft, seit dem 30. Juni 2022 auch für das Bestandsgeschäft mit Neuverhandlung oder Vertragsänderung. Ab Mitte 2024 greifen die Regelungen auch für das Monitoring des gesamten Bestandsportfolios. Die österreichische Finanzmarktaufsicht (FMA) hat die EBA bereits informiert, dass sie und die Österreichische Nationalbank (OeNB) die EBA-Leitlinien für die Kreditvergabe und Überwachung als Prüfmaßstab ihrer Aufsichtstätigkeit heranziehen werden.
Rolle der Banken bei der grünen Transformation
Banken spielen eine entscheidende Rolle bei der Förderung der grünen Transformation im Rahmen des EU Green Deals. Sie gelten als Schlüsselakteure, wenn es um die Finanzierung nachhaltiger Geschäftsmodelle und die Berücksichtigung von ESG-Kriterien geht. Durch regulatorische Initiativen wie die EU-Taxonomie und die Green Asset Ratio werden Banken aktiv in die nachhaltige Transformation einbezogen, was auch Auswirkungen auf kleine und mittelständische Unternehmen hat. Die Integration von ESG in das Geschäftsmodell von Banken erfolgt stufenweise und ist unterschiedlich ausgeprägt, wobei einige Banken sogar Beratungsleistungen für den Mittelstand anbieten.
ESG-orientierte Kreditprodukte und deren Entwicklung
Die Schaffung von Kreditprodukten, die gezielt auf die Förderung der Nachhaltigkeitsziele ausgerichtet sind, ist ein zentraler Bestandteil der Transformationsaufgabe, die Banken durch den EU-Aktionsplan übertragen wurde. Dabei müssen Banken Anreize für Kreditkunden integrieren, um nachhaltige Investitionsvorhaben attraktiver zu gestalten. Diese Herausforderung betrifft sowohl das Corporate- als auch das Retail-Segment und erfordert eine Bewertung der Eignung von Investitionsvorhaben hinsichtlich ihrer Nachhaltigkeitsziele sowie die Ausgestaltung attraktiver Konditionen für nachhaltige Investitionen.
Integration von ESG-Risiken in das Risikomanagement von Banken
Die Einbeziehung von ESG-Faktoren in das Risikomanagement von Banken ist von entscheidender Bedeutung. Insbesondere sind hier die potenziellen Auswirkungen von Umweltfaktoren und Klimawandel auf die finanzielle Situation der Kreditnehmer:innen sowie auf die zu finanzierenden Assets zu nennen. Der KPMG ESG Risk Survey (2023) hat gezeigt, dass die Mehrheit der global tätigen Banken ESG-Risiken bereits in ihre Kreditvergabe integriert hat, während der Umsetzungsstand in anderen Risiko- und Banksteuerungsprozessen noch verbesserungsfähig ist. Banken sollten ihre Strategien und Verfahren für die Vergabe nachhaltiger Kredite in den Gesamtkontext ihrer Steuerung stellen und qualitative sowie quantitative Ziele festlegen, um die Entwicklung und Integrität dieser Kredite zu fördern.
Technologische Innovationen im Kreditprozess: mit AVMs näher am Markt im Risikomanagement
Die Kreditvergabe und -überwachung in Banken und Kreditinstituten wurde bisher weitestgehend mit Hilfe herkömmlicher Bewertungsverfahren, wie Sachwertverfahren, durch einen Gutachter oder Sachverständigen durchgeführt. Das ist notwendig, wenn es sich um komplexe Immobilien oder nicht wohnwirtschaftlich genutzte Objekte handelt, nicht aber wenn es um standardisierbare Wohnimmobilien geht.
Mit der Öffnung hinsichtlich statistischer Modelle, dazu zählen Automated Valuation Models (AVMs), zielt die European Banking Authority (EBA) nun auf eine Operationalisierung der Sicherheitenbewertung im Kreditprozess ab. Damit wird nicht nur mehr Transparenz geschaffen, sondern kann auch den Anforderungen Rechnung getragen werden, dass die Kreditinstitute fortlaufend aktuell abrufbare Informationen zu den von ihnen finanzierten Immobilien vorhalten müssen. Mit AVMs können sie jederzeit in Echtzeit auf Basis verfügbarer Daten für jede Wohnimmobilie an jedem Standort den statistisch wahrscheinlichsten Markt- und Mietpreis ermitteln. Dabei werden neben den traditionellen Eigenschaften auch die nachgewiesen preissensitiveren, nicht-traditionellen Eigenschaften wie z. B. Lärmbelastung, Soziodemografie, Erreichbarkeit, Bauvorhaben in der Umgebung oder Infrastruktur einbezogen. Damit ist es ebenso möglich, auch wirtschaftliche Veränderungen am Standort, die durch Abwanderung entstehen oder auch den Anstieg von Baukosten zu berücksichtigen. Fließen solche Veränderungen im Markt nicht in die Wertermittlung bei der Kreditvergabe oder in die laufende Kreditüberwachung von Bestandskrediten ein, läuft die Bank Gefahr, vermeidbare Ausfallrisiken in die Bilanz zu nehmen oder zu halten. Andersherum kann der Bank bei einer zu konservativen Bewertung, die vom tatsächlichen Marktpreis nach unten hin stark abweicht, Geschäft entgehen, weil sie den Wert des Objekts nicht erkennt und ein lohnendes Kreditgeschäft vorschnell ablehnt.
AVMs können also sowohl im fortlaufenden Prozess eingesetzt werden, um den Wert und die prognostizierte Wertentwicklung des Portfolios schnell und effizient zu prüfen, als auch in Form einer Pre-Due-Diligence im ersten Schritt des Kreditlebenszyklus.
Vorteile der Nutzung statistischer Bewertungsmodelle im Kreditlebenszyklus für Banken und Finanzinstitute auf einen Blick:
- Statistisch wahrscheinlichste Markt- und Mietpreis von Wohnimmobilie (Wohnung, Haus, Mehrfamilienhaus oder Portfolio) auf Knopfdruck
- Jederzeit abrufbare Informationen in Echtzeit über den Wert und die Wertentwicklung der Immobilie
- Schnelle Pre-Due-Diligence vom Schreibtisch aus
- Umfassende Objekt- und Standortanalyse zu jeder Immobilie
- Abbildung aktueller marktwirtschaftlicher Entwicklungen
- Potenziale für energetische Sanierungen erkennen und fundierte Investment- und Kaufentscheidungen treffen
Herausforderungen und Hindernisse für österreichische Banken
Trotz der Fortschritte bei der Integration von ESG-Kriterien stehen Banken in Österreich auch vor einer Reihe von Herausforderungen und Hindernissen. Ein Beispiel hierfür ist die regulatorische Komplexität, die es Banken erschwert, einheitliche Standards für die Integration von ESG-Kriterien zu entwickeln und umzusetzen. Zudem ist die Beschaffung zuverlässiger und aussagekräftiger ESG-Daten eine Herausforderung. Banken müssen oft auf unterschiedliche Quellen zurückgreifen und sicherstellen, dass die verwendeten Daten qualitativ hochwertig und vergleichbar sind. Darüber hinaus können interne Widerstände innerhalb der Organisation, wie beispielsweise kulturelle Barrieren oder Widerstand gegen Veränderungen, die Umsetzung von ESG-Initiativen behindern. Die Bewältigung dieser Herausforderungen erfordert nicht nur eine Anpassung der internen Prozesse, sondern auch eine aktive Zusammenarbeit mit Regulierungsbehörden und anderen Stakeholdern.
Eine von KPMG 2023 durchgeführte Umfrage unter internationalen Banken verdeutlicht die wichtigsten Risiken, mit denen Banken sich im Hinblick auf ESG-Integration konfrontiert sehen:
Internationaler Vergleich
Ein Vergleich der ESG-Integration bei Banken in Österreich mit anderen Ländern oder Regionen kann wertvolle Erkenntnisse liefern. Zum Beispiel sind skandinavische Länder wie Schweden und Norwegen bereits weiter fortgeschritten und haben umfassendere Maßnahmen zur ESG-Integration implementiert. Diese Länder haben einen starken Fokus auf nachhaltige Finanzierung und verfügen über gut etablierte Rahmenbedingungen für die Berichterstattung von ESG-Daten. Im Vergleich dazu befindet sich Österreich möglicherweise noch in einer früheren Phase der Entwicklung und kann von den Erfahrungen dieser Länder lernen. Ein solcher Vergleich kann dazu beitragen, Best Practices zu identifizieren und mögliche Handlungsfelder für österreichische Banken aufzuzeigen. Darüber hinaus könnte er auch dazu dienen, die Wettbewerbsfähigkeit des österreichischen Bankensektors im internationalen Kontext zu bewerten und zu verbessern.
ESG und Kreditvergabe: Eine neue Ära für österreichische Banken
Die Integration von ESG in den österreichischen Bankensektor ist ein dynamischer Prozess, der von politischen Rahmenbedingungen, regulatorischen Anforderungen und technologischen Innovationen beeinflusst wird. Banken spielen eine entscheidende Rolle bei der Förderung einer nachhaltigen Entwicklung und müssen ihre Strategien und Verfahren kontinuierlich weiterentwickeln, um den Anforderungen an ESG gerecht zu werden und eine verantwortungsvolle Führungsrolle in diesem Prozess einzunehmen.
Die Überarbeitung der Leitlinien zur Kreditvergabe und -überwachung durch die Europäische Bankenaufsichtsbehörde (EBA) sowie die verstärkte Nutzung technologischer Innovationen signalisieren einen positiven Trend hin zu einem nachhaltigen Risikomanagement und einer effizienten Kreditvergabe in Österreich.
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